Weidetiere auf Paderborner Flächen für den Naturschutz
Traditionelle Nutzungsformen fördern die Entwicklung biologischer Vielfalt
Anders als häufig angenommen ist es im Naturschutz nicht immer das Ziel, eine Fläche sich selbst zu überlassen oder einfach ihren Status quo zu erhalten. Viele Flächen haben das Potenzial, sich aus naturschutzfachlicher Sicht durch gezielte Maßnahmen erheblich zu verbessern, so dass sie als Lebensraum für eine große Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten deutlich an Wert gewinnen können.
Diese aktive positive Entwicklung der städtischen Naturschutzflächen ist eine der wichtigsten Aufgaben des Amts für Umweltschutz und Grünflächen. Dies gilt insbesondere für offene Lebensräume der Kulturlandschaft. Hier konnte sich in Anpassung an die früheren extensiven Bewirtschaftungszyklen, das heißt vor allem ohne den Einsatz von Düngern und Pestiziden, eine große Artenvielfalt entwickeln. Ohne regelmäßige Pflege oder Nutzung würde auf den wertvollen Offenflächen im Laufe der Zeit Wald entstehen und die Rückzugsorte für diese angepassten Arten würden aus dem Landschaftsbild verschwinden.
Eine sehr effektive Möglichkeit der nachhaltigen Entwicklung ist die Beweidung. Im Gegensatz zur mechanischen Bewirtschaftung von Grünland, bei welcher der Mäher oder Mulcher ein gleichförmiges Bild einheitlicher Schnitthöhe hinterlässt, schaffen Weidetiere durch ihr selektives Fraßverhalten, durch ihre Trittwirkung und durch ihr Sozialverhalten ein Mosaik an Kleinstlebensräumen. Je nach den geschmacklichen Vorlieben der tierischen Weidepfleger wechseln sich Bereiche langer und kurzer Vegetation ab, durch Toben oder Wälzen entstehen kleinere und größere Bereiche mit offenem Boden, und dadurch, dass die meisten Weidetiere nicht dort Fressen, wo sie ihr Häufchen machen, wird eine kleinräumige Umverteilung des Nährstoffangebots erreicht.
Dieser Reichtum der Kleinstlebensräume ist wiederum die Grundlage für die Entwicklung einer Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten. Denn insbesondere die sogenannten Spezialisten, welche besonders stark auf bestimmte Lebensbedingungen angepasst sind, sind darauf angewiesen, dass sich diese Bedingungen z.B. durch die Dynamik der Beweidung immer wieder neu ergeben.
In Paderborn wird vor allem in den Außenbereichen bereits seit Jahren eine Beweidung mit Schafen, Rindern und Pferden erfolgreich zur Landschaftspflege eingesetzt. So können beispielsweise Schafe regelmäßig auf den städtischen Streuobstwiesen u.a. im Haxtergrund beobachtet werden. Rinder pflegen für uns die Jotheauen in Elsen und auf der Fläche am Güsenhofsee in Sennelager sind neben Rindern regelmäßig auch Pferde unterwegs.
Seit 2022 sorgt zudem eine Ziegenherde dafür, vor allem den Gehölzaufwuchs auf verschiedenen Naturschutzflächen zurückzudrängen. Werden die Tiere, wie im Fall der Ziegen, von Fläche zu Fläche verbracht, hat dies den zusätzlichen Vorteil, dass sie als Taxi für Pflanzensamen und für bestimmte Tiere wie Insekten, Schnecken und sogar mal einer Eidechse dienen können und so deren Ausbreitung fördern.
Durch Flächenbegehungen und Kartierungen wird der Erfolg der Beweidungsmaßnahmen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls wird die Managementstrategie angepasst. Hierunter versteht man z.B. die Wahl der eingesetzten Tierart(en) und die Besatzdichte, ob (Teil-) Flächen zusätzlich gemäht werden sollten, oder ob der Zeitpunkt der Beweidung zum Schutz bestimmter Tier- und Pflanzenarten, wie beispielsweise Feldlerche, Fransenenzian oder Bienenragwurz, angepasst werden sollte.
Auf einigen Flächen der Stadt Paderborn konnte unter der Beweidung bereits ein erfreulicher Anstieg der Artenvielfalt nachgewiesen werden. Zudem gibt es als Erfolg einige Erstfunde seltener Arten zu vermelden, die auf der roten Liste gefährdeter Arten geführt werden.
Nicht nur in den Außenbereichen Paderborns, auch im heutigen innerstädtischen Bereich auf den Flächen an der und um die Pader hat die Beweidung mit Nutzvieh eine Jahrtausende alte Tradition. Ab 2023 soll in Teilbereichen diese Nutzung mit all ihren positiven Potenzialen wiederbelebt werden, um auch hier wieder mehr natürliche Prozesse zuzulassen und die Artenvielfalt zu fördern.
Neben den naturschutzfachlichen Aspekten ist ein weiteres wesentliches Ziel, die zahlreichen Spaziergänger, Radfahrerinnen, Schüler und Sportlerinnen, welche den Weg an der Pader nutzen, an der Entwicklung der Fläche teilhaben zu lassen. Die Rinder können bei ihrer Naturschutzarbeit beobachtet werden und nach und nach wird sich die Fläche verändern. Für alle sichtbar wird sich die Lebensraumvielfalt vergrößern und interessierte Naturforscher:innen werden hoffentlich schon bald einen größeren Blütenreichtum feststellen – und vielleicht den ein oder anderen tierischen Besucher entdecken, der die Entwicklung der Fläche hin zu einem Mosaik verschiedenster Kleinstlebensräume zu schätzen weiß.