Kardinal-Jaeger-Straße

Straßenname: Kardinal-Jaeger-Straße

© Stadt- und Kreisarchiv PaderbornErzbischof Lorenz Jaeger (1892-1975)

Kardinal-Jaeger-Straße

Lorenz Jaeger wurde am 23. 9. 1892 in Halle an der Saale als ältestes von insgesamt fünf Kindern der Eheleute Lorenz und Anna Jaeger geboren. Der Vater war Metallarbeiter. Jaeger wuchs in bescheidenen Verhältnissen in der mitteldeutschen Diaspora auf. Die Ehe der Eltern war konfessionsverschieden, die evangelische Mutter konvertierte erst später zum katholischen Glauben. Der junge Lorenz besuchte nach der Volksschule das Gymnasium in Halle. Nach dem frühen Tod des Vaters 1904 übernahmen die Olper Franziskanerinnen die Erziehung des jungen Lorenz Jaeger. 1908 zog die Familie von Halle nach Olpe. Nach dem Abitur 1913 begann Jaeger das Studium der Theologie und Philosophie in Paderborn, Münster und München, wurde dann aber Ende Oktober 1914 als Soldat eingezogen. Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurde er als Kompanieführer und Offizier mehrfach ausgezeichnet. Anfang Oktober 1918 geriet Jaeger in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er Ende 1919 entlassen wurde. Das Kriegserlebnis war für Jaegers weiteres Leben prägend.

Nach der Rückkehr nach Deutschland setzte Jaeger das Theologiestudium in Münster und Paderborn fort. Am 1. 4. 1922 wurde er von Bischof Caspar Klein im Paderborner Dom zum Priester geweiht. Anschließend wirkte er als Pfarrvikar im sächsischen Oebisfelde. Ab 1926 war er Religionslehrer in Herne und Dortmund. Nachdem er im März 1929 die Staatsprüfung für das Lehramt an Höheren Schulen abgelegt hatte, arbeitete er ab Frühjahr 1933 als Studienrat am Dortmunder Hindenburg-Gymnasium. Ab den 1920er-Jahren pflegte Jaeger enge und intensive Kontakte mit dem katholischen Schülerbund Neudeutschland.

Mit Kriegsbeginn 1939 erfolgte Jaegers Einberufung als Divisionspfarrer. Am 10. 8. 1941 ernannte Papst Pius XII. Jaeger zum Erzbischof von Paderborn. Am 19. 10. empfing er die Bischofsweihe durch den päpstlichen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Cesare Orsenigo. Dass mit Lorenz Jaeger 1941 ein Militärgeistlicher auf den Paderborner Bischofsstuhl gelangte, war durchaus eine Überraschung. Dahinter verbarg sich allem Anschein das Kalkül des Metropolitankapitels, einen Bischofskandidaten zu präsentieren, der von der NS-Regierung kaum abgelehnt werden konnte. Jaegers Loyalität gegenüber dem NS-Regime, insbesondere seine Hirtenbriefe, ist ab den 1960er-Jahren stark kritisiert worden; er selbst hat nach 1945 zu Fragen einer moralischen Verantwortung keine Stellung bezogen.

Den Großangriff auf Paderborn Ende März 1945 überlebte der Erzbischof im Keller des Bischofshauses am Kamp. Nach vorübergehendem Aufenthalt im Pfarrhaus Lichtenau-Iggenhausen kehrte Jaeger schon am 10. 4. 1945 in die zerstörte Bischofsstadt zurück. Er blieb – trotz der Aufforderung der britischen Militärregierung, die Stadt zu verlassen – in Paderborn und wurde durch diese Entscheidung zu einem Gesicht des Wiederaufbaus. Zeitweilig verging kaum ein Monat, in dem nicht eine Kirche oder eine kirchliche Einrichtung im Erzbistum wiederhergerichtet und durch den Paderborner Oberhirten eingeweiht wurde. Aber auch im nichtkirchlichen Bereich war Jaeger omnipräsent. Am 5. 11. 1955 sprach sich der Stadtrat einstimmig dafür aus, den Erzbischof als treibende Kraft des Wiederaufbaus auszuzeichnen und zum Ehrenbürger zu ernennen.

Lorenz Jaeger hat eine weit über das Bistum Paderborn hinausreichende Rolle gespielt. Nach 1945 gelang es ihm rasch, sich in zunehmendem Maße auf gesamtdeutscher Ebene zu profilieren und bald auch universalkirchliche Funktionen zu übernehmen. Sein Beharren auf konservativen Positionen manifestierte sich vor allem in der Schulpolitik durch sein Eintreten für den Bestand der Bekenntnisschulen und in Fragen der Geschlechter- und Sexualethik. Im Bereich der Bildungs- und Sozialarbeit hat er Akzente gesetzt etwa durch die Gründung des Sozialinstituts „Kommende“ in Dortmund (1949), der Landvolkshochschule „Anton Heinen“ und des Jugendhauses in Hardehausen (1949) sowie der Katholischen Akademie in Schwerte (1967).

Die Bemühungen um die Ökumene gehörten seit seinem Amtsantritt zu den theologischen und pastoralen Hauptanliegen Jaegers. Als Vorreiter des ökumenischen Gedankens genoss Jaeger bereits zu Lebzeiten hohes Ansehen. Gemeinsam mit dem evangelischen Bischof Wilhelm Stählin rief Jaeger im April 1946 den Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen ins Leben, der nach den beiden Initiatoren auch Jaeger-Stählin-Kreis genannt wurde. 1957 kam es auf Anregung Jaegers zur Gründung des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Konfessions- und Diasporakunde (ab 1966: Institut für Ökumenik). Jaeger war auch maßgeblich an der Einrichtung des von Papst Johannes XXIII. im Juni 1960 ins Leben gerufenen Sekretariats für die Förderung der Einheit der Christen beteiligt, dem sogenannten Einheitssekretariat, als Vorbereitungskommission für das Zweite Vatikanum. Wegen seines Einsatzes für die Einheit der Kirche wurde Jaeger am 15. 1. 1965 durch Papst Paul VI. in den Kardinalsrang erhoben. Mit der Erhebung zum Kardinal avancierte Jaeger ab Mitte der 1960er-Jahre zum Gesicht Paderborns; die Stadt profitierte gewissermaßen vom Glanz des prominenten Kirchenführers.

Anknüpfend an den bis 836 zurückreichenden Bruderschaftsbund zwischen den Diözesen hat Jaeger als Takt- und Impulsgeber nach Kriegsende 1945 die anfangs schwierige Annäherung zwischen Le Mans und Paderborn engagiert vorangetrieben. Zum Liborifest 1960 kam mit Paul Chevalier erstmals ein Manceller Oberhirte an die Pader; Jaeger seinerseits war 1955 der erste Paderborner Bischof in Le Mans. Dem kirchlichen Brückenschlag folgte der weltliche: Im Sommer 1967 wurde die Städtepartnerschaft zwischen Paderborn und Le Mans vollzogen.

Jaeger hat verschiedene hohe Orden und Auszeichnungen erhalten. Anlässlich des silbernen Priesterjubiläums verlieh ihm die Katholische-Theologische Fakultät der Universität Münster am 1. 4. 1947 die Ehrendoktorwürde. 1950 erhielt er das Großkreuz des Ritterordens vom Heiligen Grab in Jerusalem und 1969 das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Im Januar 1959 wurde er zum Ehrendomherr der Kathedrale von Le Mans ernannt.

Mit etwas über 80 Jahren wurde Jaeger am 30. 6. 1973 von Papst Paul VI. vom Bischofsamt entpflichtet – nach einem über 32-jährigen Pontifikat. Jaeger verabschiedete sich mit einem Pontifikalamt am Liborisonntag 1973, blieb aber auch im Ruhestand noch aktiv. Er starb am 1. 4. 1975 nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 82 Jahren und wurde am 4. 4. in der Bischofsgruft im Paderborner Dom beigesetzt.

Im Zusammenhang mit der kommunalen Neuordnung wurde per einstimmigem Ratsbeschluss vom 16. 12. 1976 die Heinrichstraße in der Paderborner Südstadt in Kardinal-Jaeger-Straße umbenannt.

Nach seinem Tod begann Jaegers Bild in seiner Bischofsstadt bald zu verblassen, eine Folge der allgemeinen Entkonfessionalisierung ebenso wie des demographischen Wandels der werdenden Großstadt Paderborn. Der in der öffentlichen Diskussion hohe Wellen schlagende Vorstoß im Mai 2015, Jaeger wegen seiner Äußerungen während der NS-Zeit aus der Liste der Paderborner Ehrenbürger zu streichen, wurde im Stadtrat abgelehnt.

Seit Ende Juli 2023 weist das Domkapitel in der Krypta der Paderborner Kathedrale mit einer Info-Tafel darauf hin, dass Kardinal Jaeger ebenso wie sein Nachfolger Kardinal Degenhardt während ihrer Amtszeiten aus heutiger Sicht schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch begangen hätten: „Allzuoft haben sie Schutz und Ansehen der Institution und der Täter über das Leid der Betroffenen gestellt.“

Weitergehende Informationen hierzu können auf der Website des Erzbistums Paderborn unter dem nachfolgenden Link aufgerufen werden: www.erzbistum-paderborn.de (Öffnet in einem neuen Tab)

Wilhelm Grabe/ Stadt- und Kreisarchiv Paderborn

Literatur:

Heribert Gruß, Erzbischof Lorenz Jaeger als Kirchenfürst im Dritten Reich: Tatsachen – Dokumente – Entwicklungen – Kontext – Probleme, (Zeitgeschichte im Erzbistum Paderborn 3), Paderborn 1995

Heinrich Schoppmeyer, Lorenz Jaeger, in: Westfälische Lebensbilder 17 (2005), S. 185-202

Nicole Priesching u. Gisela Fleckenstein (Hrsg.), Lorenz Jaeger als Theologe, (Loren Kardinal Jaeger 1), Paderborn 2019

Peter Bürger, Lorenz Jaeger. Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft, hrsg. v. d. Linksfraktion/ Offene Liste Paderborn, Paderborn 2020 (online: https://www.linkesforum-paderborn.de/images/pdf/_Sonderdruck%20Lorenz%20Jaeger%202020%2008%2006.pdf)

Nicole Priesching u. Arnold Otto (Hrsg.), Lorenz Jaeger als Ökumeniker, (Lorenz Kardinal Jaeger 2), Paderborn 2020

Josef Meyer zu Schlochtern u. Johannes W. Vutz (Hrsg.), Lorenz Jaeger. Ein Erzbischof in der Zeit des Nationalsozialismus, Münster 2020

Nicole Priesching u. Christian Kasprowski (Hrsg.), Lorenz Jaeger als Kirchenpolitiker, (Lorenz Kardinal Jaeger 3), Paderborn 2021

Wolfgang Stüken, Hirten unter Hitler. Die Rolle der Paderborner Erzbischöfe Caspar Klein und Lorenz Jaeger in der NS-Zeit, Norderstedt 2021 (Neuedition nach der Ausgabe von 1999)

Nicole Priesching u. Georg Pahlke (Hrsg.), Lorenz Jaeger als Seelsorger, (Lorenz Kardinal Jaeger 4), Paderborn 2022

Nicole Priesching u. Markus Leniger (Hrsg.), Lorenz Jaeger als Person, (Lorenz Kardinal Jaeger 5), Paderborn 2024 (im Druck)

© Stadt- und Kreisarchiv Paderborn)Papst Paul VI. ernannte Lorenz Jaeger am 22. 2. 1965 zum Kardinal.
© Stadt Paderborn (Foto: Stadt- und Kreisarchiv Paderborn)Am Neujahrstag 1956 erhielt Lorenz Jaeger die Ehrenbürgerwürde der Stadt Paderborn.
© Stadt PaderbornLibori 1973 verabschiedete sich Lorenz Jaeger – hier beim Verlassen des Doms am 28. Juli – von seiner Diözese.

Bemerkungen

1951-1976: Heinrichstraße.

Siehe auch Alderichstraße, Junkstraße und Kaiser-Heinrich-Straße


Stadtteil

Kernstadt


Benennungsbeschluss

-


Bekanntmachung

1976


Verlauf Kardinal-Jaeger-Straße