Kardinal-Degenhardt-Platz

Straßenname: Kardinal-Degenhardt-Platz

© Stadt- und Kreisarchiv PaderbornErzbischof Johannes Joachim Degenhardt (1926-2002)

Kardinal-Degenhardt-Platz

Erzbischof von Paderborn 1974-2002, Kardinal 2001, Ehrenbürger der Stadt Paderborn 1991

Johannes Joachim Degenhardt wurde am 31. 1. 1926 in Schwelm als zweitältestes von insgesamt sechs Kindern der Eheleute Julius und Elly Degenhardt geboren. Wie sein Vorgänger als Erzbischof, Lorenz Jaeger, entstammte auch er einer gemischtkonfessionellen Familie, wobei die evangelische Mutter noch vor der Geburt der Kinder zum katholischen Glauben konvertierte. Der Vater war Bankangestellter. Trotz eher bescheidener Familienverhältnisse investierten die Eltern in die Ausbildung ihrer Kinder. Nach der Volksschule besuchte Johannes Joachim Degenhardt das Albrecht-Dürer-Gymnasium in Hagen.

Das Elternhaus war von tiefer Religiosität geprägt. Degenhardt engagierte sich in der katholischen Jugendbewegung im Bund Neudeutschland, der Ende der 1930er-Jahre von den Nationalsozialisten verboten wurde. Als Jugendführer organisierte er illegal Gruppennachmittage und Fahrten. Nach dem Besuch der Bischofsweihe von Lorenz Jaeger am 19. 10. 1941 in Paderborn wurde Degenhardt am 3. 12. gemeinsam mit weiteren ND-Aktivisten von der Geheimen Staatspolizei verhaftet. Die dreiwöchige Haft in der Dortmunder Gestapo-Zentrale Steinwache, das persönliche Erleben des nationalsozialistischen Unrechtsstaates, zählt zu den prägenden Erfahrungen des 15-Jährigen, der zudem wegen politischer Unzuverlässigkeit der Schule verwiesen wurde. Degenhardt begann eine kaufmännische Lehre, konnte Ende 1942 jedoch ans Gymnasium zurückkehren.

Mitte 1943 wurde Degenhardt Luftwaffenhelfer, im Frühjahr 1944 erfolgte die Einberufung zum Arbeitsdienst. Kurz vor Kriegsende wurde er im September 1944 schließlich noch zum Militärdienst eingezogen und geriet im März 1945 in Detmold in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Er kam zunächst in ein großes Lager in Chartres, dann nach La Fleche bei Le Mans und wurde im Juli 1946 in Reims in die Heimat entlassen. Während der Monate in Frankreich reifte der Entschluss, Priester zu werden.

Zurück in Hagen legte er in einem Sonderlehrgang für Kriegsteilnehmer im Oktober 1946 das Abitur ab. Anschließend begann Degenhardt das Studium der Philosophie und Theologie in Paderborn (Fakultät und Konvikt waren zu dieser Zeit nach Bad Driburg ausgelagert) und München. Am 6. 8. 1952 wurde er von Lorenz Jaeger im Hohen Dom zu Paderborn zum Priester geweiht.

Von 1952 bis 1959 wirkte der junge Geistliche zunächst als Pfarrvikar, dann als Pfarradministrator und schließlich als Pfarrverweser in Bielefeld-Brackwede. Am 1. 10. 1959 wurde er Präfekt am Collegium Leoninum in Paderborn, wechselte also in die Priesterausbildung. Gleichzeitig begann er bei dem Würzburger Neutestamentler Rudolf Schnackenberg mit einer Promotion, die Anfang 1964 abgeschlossen wurde („Lukas Evangelist der Armen. Besitz und Besitzlosigkeit in den lukanischen Schriften. Eine traditions- und redaktionsgeschichtliche Untersuchung“). Die Suche nach einem gesellschaftlichen Neuanfang mit einer klaren Orientierung an christlichen Werten in der Zeit unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat den aufstrebenden Kleriker Degenhardt ebenso tief geprägt wie das Zweite Vatikanische Konzil mit den Aufbrüchen in der katholischen Kirche.

Der junge Geistliche machte nun – gefördert durch Erzbischof Jaeger – rasch Karriere: Am 1. Oktober 1965 wurde Degenhardt zum Studentenpfarrer an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe/ Abteilung Paderborn ernannt. Zum 1. 10. 1966 erfolgte die Berufung zum Dekan der Seelsorgeregion Hochstift Paderborn. Im Frühjahr 1968 wurde er von Papst Paul VI. zum Titularbischof von Vico di Pacato und Weihbischof von Paderborn ernannt und als solcher von Erzbischof Jaeger am 1. 5. 1968 im Hohen Dom geweiht. Im Oktober gleichen Jahres wurde er zum Leiter des Seelsorgeamtes des Erzbistums bestimmt.

Nach dem Rücktritt von Erzbischof Lorenz Jaeger am 30. 6. 1973 wurde Degenhardt zum Kapitelsvikar (Verwalter der Erzdiözese bis zur Neubesetzung) gewählt. Die monatelange Vakanz des erzbischöflichen Stuhles endete im Frühjahr 1974 mit der Wahl Degenhardts zum Erzbischof durch das Metropolitankapitel und mit der Ernennung zum 65. Bischof von Paderborn durch Papst Paul VI am 5. 4. 1974. Ende April wurde der damals jüngste Erzbischof Deutschlands von seinem Vorgänger Jaeger feierlich in sein Amt eingeführt.

In Sachen Ökumene setzte Degenhardt die von seinem Vorgänger Lorenz Jaeger begründete Tradition fort. Das Bemühen um die Einheit der Kirche war ihm ernstes Anliegen. Schon in den 1940er-Jahren hatte er Bekanntschaft mit dem sogenannten Jaeger-Stählin-Kreis gemacht. Von 1974 bis 1976 oblag ihm der Vorsitz der Ökumene-Kommission in der Deutschen Bischofskonferenz. 1975 errichtete er eine Bistumskommission für Ökumene.

Als Vorsitzender der Kommission für Erziehung und Schule in der Deutschen Bischofskonferenz fungierte Degenhardt insgesamt 15 Jahre lang: Von 1976 bis 1991 wirkte er als „Schulbischof“ und engagierte sich insbesondere für den Erhalt der Bekenntnisschulen. In der Bischofskonferenz und ihren Gremien nahm Degenhardt weitere wichtige Aufgaben wahr. So war er zeitweilig Vorsitzender des Diasporakommissariats und seit 1990 Vorsitzender des Verbandsausschusses des Verbandes der Diözesen Deutschlands.

Wie seinem Amtsvorgänger lag Degenhardt auch der Ausbau der Beziehungen zum Bistum Le Mans am Herzen. Als erster Paderborner Bischof nahm er regelmäßig am Juliansfest Ende Januar in Le Mans teil und forcierte den Ausbau der Kontakte auf kirchlicher Ebene. Frühzeitig bemühte sich Degenhardt um Kontakte nach Polen. Noch als Weihbischof lernte er Pfingsten 1973 auf einer Studienfahrt nach Krakau den dortigen Erzbischof Karol Wojtyla, den späteren Papst Johannes Paul II., kennen.

Um die Bedeutung der europäischen Verständigung zu unterstreichen, stiftete Degenhardt im Vorfeld der ersten Wahlen zum Europaparlament 1977 die „St.-Liborius-Medaille für Einheit und Frieden“, die – anknüpfend an den „Liebesbund ewiger Bruderschaft“ zwischen den Diözesen Paderborn und Le Mans – Persönlichkeiten zuerkannt wurde, die sich auf christlicher Grundlage und in besonderer Weise um Europa verdient gemacht haben.

Degenhardt galt innerhalb der katholischen Kirche als besonders konservativ und papsttreu. So war er auch über Jahre hinweg einer der vehementesten Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen und ging bei diesem Thema auf Distanz zu seinen gemäßigten Kollegen in der Deutschen Bischofskonferenz. Er galt aber auch als Brückenbauer, der stets den Dialog mit der protestantischen Kirche suchte. Nicht zuletzt durch seine Auseinandersetzung mit dem Priester und Kirchenkritiker Eugen Drewermann Anfang der 1990er-Jahre geriet Degenhardt als Hardliner der katholischen Kirche bundesweit in die Schlagzeilen. Theologisch ein Konservativer, neigte er in der Sozialarbeit eher zu aufgeschlossenen Positionen und trat immer wieder auch für die Stärkung der Arbeitnehmerrechte und für die Humanisierung der Arbeitswelt ein.

Degenhardt erhielt zahlreiche hohe und höchste Orden und Auszeichnungen, so das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern (1993), den französischen Ordre national du Mérite (1997), die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät Breslau und das Komturkreuz des polnischen Verdienstordens (2002). In Würdigung seiner Bemühungen um eine lebendige Verbindung zwischen der katholischen Kirche und der Bevölkerung im Erzbistum sowie seiner weltweiten Kontakte, die ihn als überzeugenden Botschafter der Stadt Paderborn erscheinen ließen, wurde er am 9. 3. 1991 Ehrenbürger der Stadt Paderborn.

Am 28. 1. 2001 berief Papst Johannes Paul II. den Paderborner Erzbischof in das Kardinalskollegium. Am 21. 2. erhielt Degenhardt in Rom das rote Kardinalsbirett überreicht. Die überraschende Berufung Degenhardts war offenbar eine Verbeugung vor dem betont konservativen Element im deutschen Katholizismus (Die Welt v. 26. 7. 2002).

In den frühen Morgenstunden des 25. 7. 2002 starb Johannes Joachim Degenhardt im Alter von 76 Jahren an Herzversagen. Den Beisetzungsfeierlichkeiten im Paderborner Dom am 3. 8. wohnten angeführt von Josef Kardinal Ratzinger mehrere Kardinäle und mehr als 60 Bischöfe aus aller Welt und Staatsgäste bei. In Nachrufen wurde Degenhardt als „streitbarer Kirchenführer“ (Westfälisches Volksblatt v. 26. 7. 2002) und „konsequenter Oberhirte“ (Neue Westfälische v. 26. 7. 2002) gewürdigt, der sein Erzbistum fast drei Jahrzehnte geprägt habe.

Am 25. 7. 2012, an seinem 10. Todestag, wurde der Platz an der alten Domdechanei, der heutigen Stadtbibliothek, in „Kardinal-Degenhardt-Platz“ umbenannt; eine Gedenktafel erinnert hier an den Ehrenbürger der Stadt.

Seit Ende Juli 2023 weist das Domkapitel in der Krypta der Paderborner Kathedrale mit einer Info-Tafel darauf hin, dass Kardinal Degenhardt ebenso wie sein Vorgänger Kardinal Jaeger während ihrer Amtszeiten aus heutiger Sicht schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch begangen hätten: „Allzuoft haben sie Schutz und Ansehen der Institution und der Täter über das Leid der Betroffenen gestellt.“

Wilhelm Grabe, Stadt- und Kreisarchiv Paderborn

Weitergehende Informationen hierzu können auf der Website des Erzbistums Paderborn unter dem nachfolgenden Link aufgerufen werden: www.erzbistum-paderborn.de (Öffnet in einem neuen Tab)

Literatur

Volker de Vry, Johannes Joachim Degenhardt. Einblicke in 25 Jahre bischöflichen Wirkens, Paderborn 1993

Peter Kell / Hermann Multhaupt (Hrsg.), Bischöflicher Dienst in dieser Zeit. Johannes Joachim Degenhardt 25 Jahre Bischof, Paderborn 1993

Josef Ernst / Stephan Leimgruber (Hrsg.), Festschrift für Erzbischof Dr. Johannes Joachim Degenhardt. Surrexit Dominus vere. Die Gegenwart des Auferstandenen in seiner Kirche, Paderborn 1995

Dokumentation zum 75. Geburtstag von Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt, hrsg. v. Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn/ Presse- und Informationsstelle, Paderborn 2001

Hans-Josef Becker / Rainer Beseler (Hrsg.), „Der Herr ist wahrhaft auferstanden“. Zum Gedenken an Johannes Joachim Kardinal Degenhardt, Paderborn 2002

Johannes Joachim Kardinal Degenhardt, Nach bestem Wissen und Gewissen, im Gespräch mit Werner Kaltefleiter u. Thomas Schäfers, Paderborn u.a. 2002

© Stadt- und Kreisarchiv Paderborn/ Westfälisches VolksblattErzbischof Degenhardt beim Ad-limina-Besuch in Rom bei Papst Johannes Paul II. im Januar 1988.
© Stadt PaderbornAm 9. 3. 1991 erhielt Erzbischof Degenhardt die Ehrenbürgerurkunde aus der Hand von Bürgermeister Willi Lüke und Stadtdirektor Wilhelm Ferlings.
© Stadt PaderbornAm 25. 7. 2012 wurde der Platz vor der alten Domdechanei in „Kardinal-Degenhardt-Platz“ umbenannt und ein Gedenkstein enthüllt.

Bemerkungen

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Stadtteil

Kernstadt


Benennungsbeschluss

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Bekanntmachung

1982


Verlauf Kardinal-Degenhardt-Platz