Interview mit Christiane Boschin-Heinz, Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Paderborn

"Wenn Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft an einem Strang ziehen, entwickelt sich die richtige Dynamik."

© Stadt Paderborn

Interview mit Christiane Boschin-Heinz, Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Paderborn


Paderborn ist sowohl Digitale Modellkommune NRW als auch vom BMI mit knapp 10 Millionen Euro geförderte Smart City. Die hier entwickelten Projekte sollen über die Region hinaus Leuchtturmwirkung haben. Was haben Sie im Rahmen der beiden Förderungen vor?
Für uns stand schnell fest, dass wir mit der Förderung nicht ein großes Projekt, sondern lieber mehrere kleine Projekte in unterschiedlichen Lebensbereichen vorantreiben wollen. So haben wir uns zum Beispiel gemeinsam mit unseren Partnern, dem Kreis Paderborn, Bielefeld und Delbrück für ein gemeinsames Online-Service-Bürgerportal entschieden. Unsere Bürgerinnen und Bürger können dort online Eheschließungen oder Urkunden beantragen, ihren Hund anmelden und eben alle Leistungen in Anspruch nehmen, für die bislang ein Gang ins Bürgeramt notwendig war. Das Großartige: Jeder unserer Partner entwickelt selbstständig Services und stellt sie dann den anderen zur Verfügung. Dadurch ergeben sich neue Synergien und viel Dynamik.

Generell arbeiten wir als Kommune sehr eng mit der Wissenschaft und der Wirtschaft zusammen. So ist auch unsere Zentrale Open Data Plattform entstanden. Alle kommunalen Daten können hier ämterübergreifend gebündelt werden, um den Bürgerinnen und Bürgern eine zentrale Anlaufstelle zu bieten. Die Kombination unterschiedlicher Datentöpfe durch intelligente Anwendungen ermöglicht auch neue Services. Die Datensätze reichen von Kartendiensten, über digitalisierte Bilder bis hin zu Sensordaten, wie zum Beispiel Pegelstandsdaten der Pader. Aufbauend auf diesen Daten können sowohl von der Stadt als auch von interessierten Bürgerinnen und Bürger Anwendungen entwickelt werden, die einen Mehrwert für die Stadt Paderborn und seine Bewohner ermöglichen.


Beim Paderborner Sicherheitsprojekt INSPIRE werden bei Großveranstaltungen Verkehrsstrommessungen genutzt, um Sicherheitslagen besser einschätzen zu können. Welche Rollen spielen Daten für Sie in der Digitalisierung Paderborns?
Das Sicherheitsprojekt INSPIRE ist dem Bereich der zivilen Gefahrenabwehr zuzuordnen. Neben dem bereits von Ihnen angesprochenen Aspekt geht es aber auch um die Bündelung und Bereitstellung von Daten für Einsatzkräfte. INSPIRE kombiniert Daten aus verschiedenen Quellen. Beispielsweise weiss dann ein Feuerwehrmann auf dem Weg zum Einsatzort bereits, wie der Wind steht, aufgrund der zur Verfügung stehenden Baudaten oder Drohnenbilder, wo entsprechende Ein- und Ausgänge am Einsatzort sind und durch eine Social Media-Auswertung sogar wie viele Menschen vor Ort sind oder wer schon über den Vorfall berichtet.

Ich denke an diesem, aber auch an den bereits erwähnten Projekten wird deutlich, dass Daten für Kommunen eine Riesenrolle spielen. Aber ich muss gestehen, dass es oft auch schwer anzupacken ist. Das Thema Daten ist immer noch sehr silobehaftet und die Ämter verfügen über Daten in unter-schiedlichen Formaten und mit unterschiedlichen Aktualisierungsgraden. Das Thema adressieren wir aber stark im Zuge des Smart City Calls. Denn wir müssen uns dringend überlegen, wie wir bereits vorliegende Daten besser beispiels-weise für Themen wie Stadtentwicklung, Mobilität und Smart Grid nutzen können. Gerade die Stadt- und Mobilitätsplanung sind Schwerpunktthemen für uns, wo Daten einen großen Unterschied machen. Ich gebe nochmal ein Beispiel: In einem Neubaugebiet sollen Leitungen verlegt werden. Dazu müssen dann erstmal alle involvierten Akteure an einen Tisch kommen und Karten wälzen. Mit einem digitalen unterirdischen Zwilling könnte man aber einfacher erheben, wo bereits Leitungen liegen und wo noch neue verlegt werden können.

Häufig gibt es rechtliche Hürden, die das Teilen von Daten zwischen Ämtern oder auch Abteilungen erschweren. Das ist für Bürgerinnen und Bürger oft nicht nachvollziehbar. Was können sie als Stadt tun, um dafür zu sorgen, dass das in Zukunft besser möglich wird?
Das bundesweit angestrebte Once Only-Prinzip ist auch für uns absolut erstrebenswert. Allerdings muss dort der Gesetzgeber tätig werden. Mir erschließt sich beispielsweise nicht, warum wenn ich einen Hund melde nicht automatisch auch das Finanzamt zwecks Hundesteuer informiert wird. Das würde den Bürgerinnen und Bürgern viel Zeit ersparen. Aber ein Registerabgleich ist so ohne Weiteres nicht möglich. Hier diskutiere ich auch immer wieder mit den Datenschutz-beauftragten. Aber meiner Meinung nach muss es möglich sein, dass wenn ich mich als Bürgerin aktiv für einen Datenaustausch entscheide und einwillige, dieser dann auch stattfinden kann. Letztendlich muss das aber vom Gesetzgeber durchgesetzt werden – wir als Kommune können nur weiter Druck machen und weiter auf die Dringlichkeit hinweisen.

Deutschlandweit arbeiten Behörden und Kommunen an der OZG-Umsetzung. Wie ist der Stand in Paderborn? Gibt es Punkte in der OZG-Umsetzung, wo Sie sich mehr Unterstützung beispielsweise vom Land oder IT-Dienstleistern wünschen?
Auch in Paderborn arbeiten wir mit Hochdruck an der OZG-Umsetzung. So haben wir schon mehrere 100 Antrags-formulare auf intelligente Formularassistenten umgestellt. Allerdings muss ich sagen, dass mit dem OZG häufig nur „der Vorgarten schick gemacht“ wird. Natürlich ist die Umsetzung ein wichtiger und richtiger Vorstoß, der längst überfällig ist. Aber der gesamte Prozess muss verbessert werden und hinter den Kulissen gibt es immer noch wenig Schnittstellen, Schwierigkeiten die unterschiedlichen Fachverfahren richtig zu verschränken und viele, zähe Verhandlungen. Was hinzu kommt: An vielen Stellen wird der digitale Schritt vereinfacht, aber dadurch muss im Nachhinein noch mehr analog kontrolliert werden.

Und viele Kommunen stehen immer noch allein da und es wird zu wenig zusammengearbeitet. Natürlich können nicht alle Lösungen eins zu eins auf andere Kommunen übertragen werden. Aber ich würde mir wünschen, dass wir zukünftig enger zusammenarbeiten, uns austauschen und voneinander lernen - denn Digitalisierung kann nicht allein gestemmt werden!