Folge 6

Die Sonderausstellung "Kleid der Tiere - Geniale Verpackungen der Natur" im Naturkundemuseum

Passt schon? Denkste! – Blicke durch die ‚Besucherbrille‘

- von Julian Schröder


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Vom leeren Ausstellungsraum bis zur fertigen Sonderausstellung ist es ein langer Weg – das wird nicht erst am Ende des Prozesses deutlich, sondern bereits mehrfach während der Vorbereitungen. Ein Arbeitsschritt, der banal klingt und dennoch von immenser Wichtigkeit ist, ist ein ständiger Perspektivwechsel. Es besteht die Gefahr, während der Vorbereitungen zu einer Ausstellung ‚in der Materie‘ zu versinken und die Unbefangenheit, die Neutralität und den Blickwinkel der Museumsbesucher*innen zu verlieren. Nach abgeschlossenen einzelnen Arbeitsschritten – etwa dem Platzieren eines Objekts im Raum, dem Aufhängen eines Textes oder dem Ausrichten eines Scheinwerfers – lohnt es sich, stehenzubleiben, zurückzugehen, die ‚Besucherbrille‘ aufzusetzen und einen möglichst objektiven Standpunkt einzunehmen. Hierbei kann es schon hilfreich sein, andere Museumsmitarbeiter*innen, die nicht mit der Konzeptionierung und dem Aufbau der Ausstellung betraut sind, nach ihrer Meinung zu fragen. Bin ich in meiner Betrachtungsweise zu selbstkritisch und bemängele Dinge, die anderen gar nicht auffallen würden? Oder habe ich Unstimmigkeiten übersehen, die Außenstehende sofort bemerken? 


Natürlich legt jeder, der eine Ausstellung anschaut, den Fokus auf etwas Anderes; jeder nimmt einen eigenen Weg durch die Ausstellung, bleibt häufiger oder weniger häufig stehen, verweilt länger vor den einzelnen Objekten, ist interessiert an unterschiedlichen Dingen oder hat ein anderes Empfinden, was Ästhetik betrifft. Kurzum: Wenn sich zehn Menschen eine Ausstellung angeschaut haben, gibt es zehn verschiedene Blickwinkel auf die Schau und keinesfalls zweimal genau dieselbe Meinung. 

Das bedeutet natürlicherweise auch, dass eine Ausstellung nicht allen gerecht werden kann – dieser Kompromiss ist von vornherein einzugehen. Das Risiko, dass eine Ausstellung wenig Zuspruch findet, kann jedoch deutlich minimiert werden, indem während der Vorbereitungen immer wieder einmal das Bisherige reflektiert und bewertet wird. Neben den optischen Eindrücken und den ästhetischen Ansprüchen ist hier natürlich der Ausstellungsinhalt entscheidend. 

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„Was zieh‘ ich an?“ – Die Bedeutung der Alltagsrelevanz im Museum

„Das Beste, was einem Kleid passieren kann, ist, dass es getragen wird. Man macht Mode nicht fürs Museum.“ – Was der Modeschöpfer Karl Lagerfeld hier über Mode in Museen sagt, klingt zunächst nicht gerade nach einem Werbeslogan für unsere neue Sonderausstellung. Andererseits lässt sich hieraus ablesen: Natürlich ist Mode nicht für’s Museum gemacht, sondern vielmehr für den Alltag und seine verschiedensten Anforderungssituationen. Sie ist gemacht, damit Menschen sich modisch kleiden und zugleich funktional an unterschiedliche Gegebenheiten anpassen können. Kleidung ist also ein ständiger, wandelbarer, sich immer wieder neu präsentierender Faktor unseres Alltags und als solcher kein spezielles Interesse einer kleinen Gruppe, sondern ein Begleiter für jede/n von uns. 

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Das gilt für Menschen und Tiere gleichermaßen; einzig ist festzustellen, dass Menschen ihre Kleidung frei wählen, während den Tieren von der Evolution vorgegeben wird, was sie ‚anziehen‘. Kleidung – ob die des Menschen oder die des Tierreichs – ist also nicht für’s Museum gemacht, aber dennoch sehr wohl für dafür geeignet, vielleicht sogar prädestiniert. Denn mit ihr gelingt etwas, dass es bei einer Ausstellungsrealisierung unbedingt anzustreben gilt: ein Stück Alltagsrealität ins Museum zu holen. Denn es wäre nicht nur mitunter langweilig, sondern würde auch dem kulturellen, allgemeinbildenden Auftrag eines Museums nicht vollends gerecht werden, wenn allein ‚Nischenthemen‘ präsentiert oder Irreales, Realitätsfremdes behandelt würde.