Wie bewegen wir uns in der Zukunft?

5. Bürger-DigiLog zum Thema Mobilität 4.0

© Stadt PaderbornIm Interview mit Prof. Dr. Thomas Tröster, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Leichtbau mit Hybridsystemen an der Universität Paderborn, sprach Christiane Boschin-Heinz, CDO der Stadt Paderborn, über Mobilitätshubs und regenerative Energien.

Donnerstag, 26. November 2020 | Stadt Paderborn - Paderborn steht als wachsende Großstadt vor der Herausforderung, dem individuellen Mobilitätsbedürfnis der Bürger*innen nachzukommen und dabei Aspekte wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Luftreinhaltung zu berücksichtigen. Diese Themen wurden beim fünften Bürger-DigiLog vergangene Woche mit Experten diskutiert.

Der DigiLog war eigentlich etwas anders geplant: Eine Bürgerveranstaltung auf dem Gelände des PaderSprinters – dies war bedingt durch Corona nun nicht möglich. So wurde auch der zweite DigiLog im Jahr 2020 nun digital als Livestream-Veranstaltung durchgeführt. Im Studio von lean-pro und AFV wurde angesichts der Infektionslage auf größere Diskussionsrunden verzichtet, weshalb Christiane Boschin-Heinz, CDO der Stadt Paderborn und Moderatorin des Abends, Experteninterviews führte. Die Zuschauer*innen konnten ihre Fragen im Chat des Livestreams stellen, die dann live beantwortet wurden.
Im ersten Experteninterview stellte Philipp Ohms von der Stabsstelle Digitalisierung die Ergebnisse des im Jahr 2019 stattgefundenen „Bürgerdialogs autonomes Fahren“ vor: Zwischen April und November 2019 nahmen mehr als 1000 Bürger*innen in Europa, Asien und Nordamerika an einer Studie des Nexus Instituts zum autonomen Fahren teil. Auch 80 von 100 zufällig ausgewählten Paderborner*innen diskutierten intensiv an einem Samstag im historischen Rathaus zu diesem Thema. Philipp Ohms berichtete, dass das Stimmungsbild in Paderborn insgesamt sehr gut war.
Viele Aspekte des autonomen Fahrens wurden als positiv bewertet, wie beispielsweise die Möglichkeit, die Fahrtzeit für andere Dinge nutzen zu können.
Neue Möglichkeiten gibt es gerade dann, wenn autonome Fahrzeuge im Bereich des ÖPNV oder des Sharings angeboten würden. Kritisch sahen die Paderborner*innen die Abhängigkeit von der Technik: Vertrauen in ein solches System zu entwickeln ist für viele Bürger*innen schwierig. Um tatsächlich autonome Fahrzeuge in der Stadt fahren lassen zu können, bedarf es komplexer rechtlicher und technischer Voraussetzungen. Grundlage für einen guten Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung schafft in Paderborn das Mobilitätsnetzwerk, das zu Fragen zukünftiger Mobilität intensiv zusammenarbeitet.
Auch wenn das autonome Fahren schon Realität ist, ist es im Alltag gefühlt noch weit weg. Alltagsnäher sind da die sogenannten Mobilitätshubs über welche Boschin-Heinz im zweiten Experteninterview mit Prof. Dr. Thomas Tröster, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Leichtbau mit Hybridsystemen an der Universität Paderborn, sprach. Einen Mobilitätshub kann man sich als Knotenpunkt vorstellen, an dem sowohl Fahrzeuge, als auch die benötigte regenerative Energie und weitere Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden, sollen. Beispielsweise könne an einem Standort außerhalb der Innenstadt ein aus dem Umland kommender Fahrer sein Fahrzeug abstellen, auf ein Shuttlefahrzeug umsteigen, in die Innenstadt fahren und das private Fahrzeug währenddessen idealerweise laden, so Prof. Tröster. Da viele verschiedene Technologien und Wissen über Mobilität für die Entwicklung notwendig seinen, wird laut Prof. Tröster mit vielfältigen Partnern aus den Bereichen der Fahrzeugtechnologie, Energie, Digitalisierung und auch Forschung zusammengearbeitet. So kann ein ganzheitliches Konzept entwickelt werden, welches sowohl den Individualverkehr, als auch den Mehrpersonenverkehr optimal bedienen kann.
Auch beim Parken kann die Digitalisierung genutzt werden, um Mehrwerte für Anbietende und Nutzer*innen zu generieren. Dr. Dietmar Regener, stellvertretender Betriebsleiter des ASP Paderborn, war der Experte zum Thema Parkraummanagement. In der Zukunft soll alles noch einfacher werden: Das Kennzeichen könnte beim Einfahren und Ausfahren des Stellplatzes oder des Parkhauses erkannt werden und die Gebühr dann automatisch per Handybezahlung verbucht werden. Die Bürger*innen wählen ihren Parkplatz hauptsächlich wegen der Lage: Er soll nah, sicher und möglichst komfortabel gelegen sein. Zukünftig könnte dies durch das Laden von Elektrofahrzeugen und Möglichkeiten zum Carsharing oder auch den Verleih von eScootern und Fahrrädern ergänzt werden. Ein Parkhaus würde dann zum „Mobilitätshaus“. Auch die Suche nach einem Stellplatz soll einfacher werden: In einem Projekt des ASP zur Digitalisierung der Parkraumbewirtschaftung werden am Liboriberg, auf dem Domplatz und in der Mühlenstraße verschiedene Systeme getestet. Ein Sensor, der in den einzelnen Stellplatz eingelassen ist, kann zum Beispiel erkennen, ob der Platz belegt ist. Besonders praktisch für die Parkplatzsuchenden wird es dann, wenn diese Information direkt auf das Navigationsgerät oder das Handy gesendet wird. Dr. Regener berichtete auch über ein Projekt mit den Gymnasien Theodorianum und Reismann: Schüler*innen arbeiten gemeinsam mit der Universität Paderborn an der Entwicklung einer künstlichen Intelligenz, die aufgrund erfasster Daten, eine Prognose zu freien Parkplätzen geben kann.
Auch Verkehrsströme können auf Grundlage von Echtzeitdaten dynamisch, flexibel, bedarfsgerecht und intelligent gesteuert werden. Die Stadt Paderborn hat hierzu gemeinsam mit regionalen Unternehmen und einem Team aus der Wissenschaft ein Projekt laufen. Das Projekt „Schlosskreuzung“ wird vom Land NRW gefördert und hat die bekannte Kreuzung in Schloß Neuhaus im Fokus. Prof. Dr. Ansgar Trächtler, Professor am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn und Leiter der Fachgruppe Regelungstechnik und Mechatronik und des Fraunhofer Instituts IEM, saß als vierter Experte mit Christiane Boschin-Heinz auf dem Podium. Er erklärte was genau in dem Projekt passiert: Ziel sei es den Verkehr durch Kreuzungen, die mit neuen Ampelanlagen ausgestattet werden, zu verflüssigen. Diese Ampelanlagen seien von außen steuerbar. Zusätzlich dazu würden die Kreuzungen mit Sensorik ausgestattet, die den Verkehr erfasst und auch klassifiziert. Die installierten Hybridkameras zeigen die Personen ähnlich wie eine Wärmebildkamera – die Gesichter der Personen können dementsprechend nicht erkannt werden, eine Identifizierung ist nicht möglich. Außerdem erkennen Radartaster in den Ampeltastern die Fußgängeranzahl, die an der Ampel wartet. Die Technik biete hier alle Möglichkeiten den Verkehr in Bezug auf verschiedene Aspekte zu steuern, so Prof. Trächtler. Die Ergebnisse des Projektes können zukünftig auch auf andere Verkehrssituationen übertragen werden.
Wieviel Digitalisierung für die innerstädtische Mobilität sinnvoll ist und wie die Verkehrsplanung der Stadt das Thema anpackt, beantwortete die Technische Beigeordnete Claudia Warnecke im letzten Interview des Abends. Claudia Warnecke ist als technische Beigeordnete unter anderem verantwortlich für die Themen Stadt- und Verkehrsplanung, Straßen- und Brückenbau und den Umwelt- und Klimaschutz. Die Planung hat die herausfordernde Aufgabe, die bestmögliche Lösung für viele teils oft widerstreitende Interessen zu finden. Alle Verkehrsteilnehmer, also Radfahrer, ÖPNV, Fußgänger und den motorisierten Individualverkehr (MIV) unter einen Hut zu bekommen sei sehr komplex, so Warnecke. Aus diesem Grund wird das IMOK (integriertes Mobilitätskonzept) entwickelt. Auch die Paderborner*innen wurden befragt, in Workshops und auch online, um Bedarfe und Daten zu ermitteln. Mit dem IMOK sollen sowohl qualitative, als auch quantitative Ziele formuliert werden, die auch politisch getragen werden müssen: Die qualitativen Ziele konnten vom Rat schon beschlossen werden, mit den quantitativen Ziele geschieht das in einem nächsten Schritt. Die laut Warnecke spannende Phase komme dann im kommenden Jahr, wenn beispielhafte Straßenräume und Hauptverkehrsstraßen zukünftig entwickelt werden. Das IMOK soll dann bis 2021 zum Abschluss geführt werden. Auch Claudia Warnecke warf einen Blick auf die Digitalisierung im Mobilitätsbereich: Viele technologische Möglichkeiten können genutzt werden, um den Verkehr positiv zu beeinflussen. Besonders interessant sei hier die Erhebung der Verkehrsdaten als flächendeckende Maßnahme, da derzeit oft nur punktuell Daten erhoben werden können.

Am Ende des Abends waren sich alle Experten*innen einig: Mobilität sei ein Thema des Miteinanders – es gehe immer um Verständnis und Toleranz der Verkehrsteilnehmer*innen untereinander. Der gesamte Livestream kann auch jetzt noch nachträglich auf https://www.youtube.com/watch?v=UHeN_HrrCuk angesehen werden.

Stadt Paderborn

Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Stadtmarketing