Wir wollen unsern alten Neptun wiederhaben

Ein Foto des Stadt- und Kreisarchivs erzählt eine kuriose Geschichte aus dem Jahr 1961

© Stadt- und Kreisarchiv PaderbornEin Neptunbrunnen aus Pappmaché auf dem Marktplatz brachte die Paderbornerinnen und Paderborner im Februar 1961 für wenige Tage zum Schmunzeln. Zum Glück sorgte Dr. Helene Gollowitzer für ein Foto, das das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn zu Recherchen veranlasste.

Montag, 07. Juli 2025 | Stadt Paderborn - Im Jahr 1730 schenkte Fürstbischof Clemens August von Bayern dem Paderborner Domkapitel einen in Neuhaus überflüssig gewordenen Brunnen, der den schadhaften alten Marktbrunnen ersetzte. Der Paderborner Bildhauer Johann Theodor Axer schuf noch im selben Jahr für den Brunnen eine imposante Figur, sodass fortan der Neptunbrunnen die Paderborner Bevölkerung in seiner ganzen Pracht erfreute. Der Brunnen avancierte zu einem Wahrzeichen der Stadt, lud aber auch beispielsweise Pennäler zum Schabernack ein. Wie bekannt, ging der Brunnen im Bombenkrieg des Jahres 1945 unter.

Dass der Brunnen für die Paderborner Bevölkerung eine identitätsstiftende Funktion besaß, zeigten die mehr als deutlich erhobenen Forderungen, den Brunnen wieder aufzubauen. Schon 1945 schuf Hans Otten ein Gedicht auf den Neptun, das der langjährige Vorsitzende des Sängerkreises Paderborn-Büren und des Paderborner Sängerchors von 1921 Hermann Gladen im folgenden Jahr vertonte. Zahlreiche Paderbornerinnen und Paderborner meldeten sich zu Wort. 1960 erreichte die Diskussion um den Neptun einen neuen Höhepunkt. Auf dem Schützenfest überreichten die Kämper-Schützen dem I. Stadtdirektor Wilhelm Sasse eine Nachbildung des alten Neptun-Brunnens, es folgten einschlägige Bierdeckel und 1965 gar ein Bierkrug mit entsprechender Abbildung. Die im Sängerkreis Paderborn-Büren organisierten Männergesangsvereine und gemischten Chöre trugen in der Herbstliboriwoche 1960 ein Neptunlied von Hermann Gladen vor. „Wird das der ‚Wahlschlager‘ von Paderborn“, fragte sich die Freie Presse mit Blick auf die am 19. März 1961 stattfindenden Kommunalwahlen. Das Zeug dazu hatte es wohl: Als das Neptunlied angestimmt wurde, stimmte der ganze Saal ein, viele riss es von den Stühlen. Im November allerdings erteilte der Kulturausschuss allen Wiederaufbauwünschen eine Absage aus gutem Grund: Es waren einfach zu wenig Reste des Brunnens erhalten geblieben.

Dennoch spielte der Neptun in der Karnevalssaison 1961 eine zentrale Rolle. Die Heimatbühne gestaltete ihre in der Presse hochgelobte Bütt nach dem alten Neptun. Am Sonntagmorgen, dem karnevalistischen Tulpensonntag, konnten sich dann die Paderbornerinnen und Paderborner auf dem Marktplatz die Augen reiben. Stand hier doch der altbekannte Neptun in Leibesgröße- jedenfalls fast. Denn der neue war aus Pappe und seinem Vorbild nur nachempfunden. Die Aussage war jedoch eindeutig, hing dem Pappkameraden doch ein Schild um mit fast der identischen ersten Zeile des Refrains des Neptunliedes von Hermann Gladen: „Wir wollen unsern alten ‚Neptun‘ wiederhaben.“ Wer aber hatte den Karnevalsscherz auf die Straße bzw. auf den Marktplatz gebracht? Waren es die Schwimmer des 1. Paderborner Schwimmvereins, die zu Neptun eine, nun ja, wesensmäßige Verbindung pflegen? Die Paderborner Narren, die die Wiederkehr des alten schon Tage zuvor andeuteten? Die Sänger, die voller Inbrunst das hohe Lied des Neptuns sangen? Oder gar die bislang völlig unverdächtigen Schützen? Oder handelte es sich gar um eine konzertierte Aktion aller Wunschbeladenen in Personalunion? Für die Stadt war allerdings klar, wer die Figur wenigstens beseitigen musste. Glaubhafte Zeugen hatten den Neptun nämlich am Vorabend auf dem Schwimmerball des 1. PSV eindeutig identifiziert. Und so waren es die Schwimmer, die die Papp-Attrappe des antiken Wassergottes am Donnerstag nach Aschermittwoch beseitigten; allerdings erst nach einer informellen Aufforderung des städtischen Rechtsamtes.

Einer 1975 gegründeten Bürgerinitiative war es dann zu verdanken, dass mit etwas Verspätung ein neuer, von Josef Rikus geschaffener Neptunbrunnen 1979 aufgestellt werden konnte. Der freilich ebenfalls bis heute für Gesprächsstoff sorgt.

In einer der kommenden Ausgabe der Heimatzeitschrift „Die Warte“ wird Andreas Gaidt aus dem Stadt- und Kreisarchiv Paderborn die Geschichte um den Pappkameraden ausführlich schildern. Doch sind noch einige Details nicht zu Ende recherchiert. So lässt sich Hans Otten weder in den Paderborner Meldeunterlagen noch in Adressbüchern eindeutig identifizieren. Informationen über ihn, weitere Fotos oder Zeitzeugenberichte nimmt das Archiv unter Tel. 05251 8811593 oder E-Mail: stadt-und-kreisarchivpaderbornde gerne entgegen. 

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